Schloss Habsburg

Wiege der Habsburger Weltdynastie steht im Aargau

Unscheinbar, aber geschichtsträchtig: Die Wiege der Habsburger Weltdynastie steht im Aargau und fällt kaum auf. Vor 600 Jahren haben die Eidgenossen sie erobert.

HABSBURG. Mit "Im Prinzip ja" ließe sich nach alter Radio-Eriwan-Manier die Frage beantworten, ob der erste Habsburger ein Schweizer war. Ähnlich wie bei dem fiktiven armenischen Sender kämen allerdings zahlreiche Einschränkungen zum Tragen. Nicht zuletzt gab es die Schweiz noch gar nicht zu Zeiten jenes Radbots, der von 985 bis 1045 lebte und um 1020 im heutigen Kanton Aargau die Habsburg erbauen ließ. Am Stammsitz der späteren Weltdynastie lässt sich heute deren Geschichte nacherleben, die auch Teil der Geschichte der Schweiz ist.

Längst flattert über Radbots Burg, gut sichtbar von der schweizerischen Autobahn A 3, die von Basel in Richtung Zürich führt, das Schweizerkreuz. Dass man es bei dem ziemlich bescheiden anmutenden Gemäuer mit dem frühesten Familienstammsitz eines der über Jahrhunderte hinweg mächtigsten Königshäuser Europas zu tun hat – bekanntlich ging im Riesenreich von Kaiser Karl V. von Habsburg (1500-1558) die Sonne nie unter – erschließt sich keineswegs auf den ersten Blick, und im öffentlichen Bewusstsein ist der Bau entsprechend weniger verankert als andere.

"Der Ursprungsort ist schon sehr überschaubar", erklärt Thomas Rorato das Phänomen, "und das, was wir heute sehen, ist für viele überraschend klein." Dem Kurator des Museums Aargau, das sechs historische Orte im Kanton umfasst, liegt der Habsburger Stammsitz auf dem nahe Brugg gelegenen Wülpelsberg selbstverständlich trotzdem am Herzen, aber nicht mehr als andere.

Schweizer Schulkinder sollten zwar wissen, wo die Habsburg steht, sagt der Historiker, eine Pilgerstätte sei der Ort aber keineswegs. Zumal für Schweizer wäre das auch kaum nachvollziehbar. Ohnehin ist es relativ sicher, dass Radbots Vorfahren von anderswoher kamen. Fachleute tippen aufs Elsass, weiter in Richtung Osten zogen die Habsburger erst später. Schon vorher hatten sich die Abkömmlinge des berühmten Geschlechts auf Schweizer Boden aber nicht viele Freunde gemacht, wofür den besten Beleg Wilhelm Tells Erzfeind liefert, der Gessler, schon wieder ein Habsburger. Seine Spuren hat das Adelsgeschlecht aber auch an weiteren Orten in Roratos Arbeitsumfeld hinterlassen, so unter anderem im heute äußerlich im Vergleich zum Ursprungsort sehr viel eindrucksvolleren Schloss Lenzburg, das 1264 in habsburgischen Besitz fiel. Standesgemäß ließen die neuen Schlossherren hier einen der größten Rittersäle ihrer Zeit errichten. 1309 von Habsburgern schon gegründet wurde dagegen das naheliegende Kloster Königsfelden.

Wer will, kann auf einem Mitte 2015 eröffneten und in Etappen unterteilten insgesamt 38 Kilometer langen "Habsburger Weg" die Stationen des frühen Machtaufstiegs im Aargau erwandern oder anders erfahren. Sehenswert ist etwa der Tagsatzungssaal in Baden, der 1415 erster Versammlungsort der alten Eidgenossenschaft war und das bis 1712 blieb.

So erfolgreich sich die Habsburger anfangs aber in der Region behauptet hatten, so nachhaltig wurden sie vor 600 Jahren gestoppt. Schon 1386 hatte das Fürstengeschlecht im Kampf gegen die Eidgenossen in der Schlacht von Sempach die erste vernichtende Niederlage erlitten. 1415 hatte schließlich Herzog Friedrich IV. – der sich jetzt schon "von Österreich" nannte, später aber auch den Beinamen "mit den leeren Taschen" erhielt – beim Konstanzer Konzil auf den falschen Papst gesetzt, weshalb über ihn die Reichsacht verhängt wurde. Das spielte wiederum den Eidgenossen in die Hände, die den Aargau jetzt endgültig in ihre Gewalt brachten und ihren historischen Sieg unter dem Motto "Die Eidgenossen kommen!" 2015 ein ganzes Jahr lang mit einer Reihe von Veranstaltungen feiern.

Schon bevor es aber zur endgültigen Übernahme gekommen war, hatten die Habsburger ihre Stammburg verlassen und ihren Wohnsitz um 1220/30 an einen anderen, nicht sicher nachgewiesenen Ort verlegt. Die Burg, einst deutlich größer und mit zwei voneinander teilbaren Bereichen und Bergfrieden ausgestattet, war im frühen 13. Jahrhundert als Lehen an Dienstadelige vergeben worden, die den Ausbau des heute noch bestehenden Westteils mit großem Wohnturm, dem Palas genannten Hauptbau und durchgehender Hofmauer betrieben.

Erhalten geblieben ist auch der 70 Meter tiefe Sodbrunnen. Die Besitzer wechselten später mehrfach. Als die Burg vor mehr als 200 Jahren an den erst 1803 gegründeten Kanton Aargau fiel, erwies sie sich als kostspieliges Vergnügen. Verfallen lassen konnte und wollte man den geschichtsträchtigen Bau nicht. Also renovierte man, was noch stand und legte nur die Grundmauern des Ostteils frei.

Sehr publikumsorientiert und auch auf Kinder abgestimmt

Der Wohnturm beherbergt heute ein frei zugängliches kleines Museum, der Palas ein Restaurant. Sehr publikumsorientiert und nicht zuletzt mit kleinen Rätselfragen auch auf Kinder abgestimmt ist ein Audioweg, der in sechs Stationen durch die Anlagen führt, die Geschichte der Burg erzählt und wieder bei jenem Radbot anfängt, den der Legende nach sein zahmer Jagdhabicht zu dem später als Bauplatz für die "Habichtsburg" gewählten Ort geführt haben soll.

Auf dem Königsweg geht es aber auch um den Aufstieg des Geschlechts, das 1273 erstmals mit Rudolf I. (1218-1291) den römisch-deutschen König stellte. Gleichzeitig war es eng mit der eidgenössischen Geschichte verflochten, während schon der in Rudolfs Todesjahr verfasste Bundesbrief üblicherweise als eine Art Geburtsurkunde der heutigen Schweiz gilt. 1415, als die habsburgischen Stammlande und mit ihnen die Burg in eidgenössischen Besitz übergingen, wurde die Fahne dann endgültig gewechselt.

Informationen: Die im gleichnamigen aargauischen Städtchen gelegene Habsburg ist ganzjährig mit Ausnahme des Restaurants frei zugänglich. Ausführliche Informationen über die Burg sowie über das Jahresprogramm "Die Eidgenossen kommen!" zum 600-jährigen Bestehen des Kantons Aargau sind unter http://www.schlosshabsburg.ch zu finden.

von Annette Mahro
am Mo, 05. Oktober 2015

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