Ausstellung

Andy Warhol in der Kunsthalle Messmer in Riegel

Es ist ihr bislang größter und (versicherungstechnisch) teuerster Ausstellungscoup: Die Kunsthalle Messmer in Riegel zeigt frühe Zeichnungen und Siebdruckserien des "King of Pop Art" Andy Warhol.

Die Maske des Melancholikers unter der schrillen Silberperücke – unverkennbar, das Antlitz jenes Künstlers, der als erster das Foto seines Gesichts zur Marke machte: Andy Warhol, der bekennende New Yorker aus Pittsburgh nun am Zusammenfluss von Elz und Dreisam? Das mutet eigentümlich an – ist aber der bislang größte und (versicherungstechnisch) teuerste Ausstellungscoup der Messmer Foundation in Riegel, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert.

Den "King of Pop Art" hatte Jürgen A. Messmer lange nur am Rande im Visier, gehört das Augenmerk des Sammlers doch eher der Konkreten Kunst. Als er jedoch 2014 in Singapur staunend vor frühen Warhol-Zeichnungen stand, war das Interesse geweckt und sein Entschluss schnell gefasst. Mit Hilfe des Berliner Galeristen Michael Schultz, des Ulmer Museums Weishaupt, weiterer Galerien und Sammler hat er ihn nun umgesetzt: vier berühmte Siebdruck-Serien von Warhol nahezu komplett zu präsentieren.

Erster Blickfang der ansprechend aufbereiteten Schau ist das Porträt des deutschen Dichterfürsten. Der markante Kopf von Tischbeins Frankfurter Gemälde "Goethe in der Campagna" von 1787 – nur scheinbar befreit vom Anspruch der Einmaligkeit. Einer der zahlreichen Widersprüche dieses Meisters des Siebdrucks: Zwar tilgt Warhol programmatisch die künstlerische Handschrift, betont aber, trotz seines Hangs zur Distanzierung, hier mit gebrochenen Konturlinien den grafischen Duktus.

Das gilt erst recht für die frühen Zeichnungen, mit denen der Reigen erfreulicherweise beginnt: Gelegenheitsarbeiten und Entwürfe für Werbekampagnen aus den 50ern, rasch ausgeführt in Kuli, Tinte und Graphit, für den Druck präpariert mit der berühmten Technik der "Blotted Line", der Kopie mit Tusche. Sie verraten nicht nur das enorme zeichnerische Geschick des jungen Andrej Warhola, sondern auch seine Bewunderung für Picasso und Matisse. Die Kunstwelt eroberte der Werbegrafiker bekanntlich 1962 mit seinen "Campbell’s Suppendosen". Sein Biograph Taylor Mead spricht von einem "Staatsstreich", den die USA verdient haben, erklärte gar ihren Verwerter zum "Voltaire der Vereinigten Staaten". Diese Einschätzung ist heute kaum mehr vorstellbar, die Campbell-Dose längst mit Warhol synonym: ein Beispiel für perfektes Double-Bind-Marketing.

Unter jedes der fünf Bilder könnte sich in Abwandlung eines Titels von René Magritte der Schriftzug finden: "Dies ist keine Suppendose!" Sondern schlechterdings die Pop Art-Inkunabel: Kunst und Kommerz in schonungsloser Allianz, die keinen Raum mehr lässt für den Mythos vom Originalgenie. Warhol, der die Malerei einmal für den Film aufgeben wollte, erfand den Künstler als Multimedia-Arrangeur und telegenen Exzentriker – Hofnarr der Konsumgesellschaft. Über das subversive Potential dieser Rolle, für die der "King of Pop Art" bis heute Maßstäbe setzt, lässt sich noch immer streiten: War er primär gewiefter Geschäftsmann und Selbstvermarkter, der mit Vorliebe malte, was er am liebsten sah: Geld – oder hintergründiger Kritiker des American Way of Life? Allemal war er ein kreativer Kunstumdeuter, an dem es kein Vorbei mehr gibt. Im Reiz der Nichtfestlegung liegt sein Erfolgsrezept: Begierde wecken mit dem schon Begehrten! "Betrachte nur meine Oberfläche", rät er dem Betrachter: "Nichts ist dahinter".

In Riegel erscheint Warhol einmal mehr als Zauberer der Farben, in die er Ikonen seines Zeitalters wie Mao und Marilyn Monroe tauchte, ohne den Symbolwert dieser Medienikonen je zu schmälern – im Gegenteil. Den Mord an John F. Kennedy inszeniert seine Serie "Teletype-Report" als visuelles Film-Drehbuch mit familiärem Anstrich. Überhaupt der Tod. Nach eigener Aussage war er seine stärkste Stimulans: Die Marilyn-Serien entstanden erst nach ihrem Suizid, die letzte 1968, als er selbst beinahe dem Anschlag einer Radikalfeministin zum Opfer gefallen wäre. Die finale Serie der prachtvollen "Flowers" erinnern an einen verstorbenen Freund. Eher Vanitas als schiere Augenfreude?

Ein reizvolles Aperçu sind die Plattencover für die von Warhol Verehrten: John Lennon, Liza Minnelli, die Rolling Stones. Leider ist die Version für deren Album "Sticky Fingers" mit dem berühmten aufziehbaren Reißverschluss nicht darunter.

Auf die Serie der elektrischen Stühle und desaströsen Verkehrsunfälle wird in Riegel getrost verzichtet. Warhol light – als schmuckes, beinahe berauschendes Farbereignis. Nur die gerahmten Plakate mit den Preisangaben passen nicht neben die "Originale".

Den "King of Pop Art " hätte das wahrscheinlich nicht gestört.
Kunsthalle Messmer, Riegel, Großherzog-Leopold-Platz 1. Bis 13. September, Di bis So, 10-17 Uhr. http://www.kunsthallemessmer.de
von Stefan Tolksdorf
am Di, 05. Mai 2015 um 00:00 Uhr

Badens beste Erlebnisse