Event

Animationsfilmfestival Baden im Aargau: Verspielt und fantastisch

Vom ersten bis zum sechsten September sind im aargauischen Baden wieder Höhepunkte der Animationsfilmerei zu sehen.

Früher hieß das Genre Trick- oder Zeichentrickfilm und rangierte bei Kritikern und anderen Vertreten des etablierten Kulturbetriebs eher auf hinteren Rängen. Neue Techniken wie die Digitalisierung und deren Möglichkeiten haben aber auch hier Akzentverschiebungen gebracht, haben aus Trick- längst Animationsfilme gemacht und diese das gesellschaftliche Image des Genres neu justiert. Diese Entwicklung spiegelt auch das internationale Animationsfilm-Festival Fantoche in Baden im Aargau: Es hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten vom avantgardistischen Treff für Insider zu einem über die Schweiz hinaus angesehenen Branchentreff und Publikumsmagneten entwickelt. Das Festival, das anfangs im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfand, steigt heuer zum 13. Mal und erhält erstmals Besuch eines Schweizer Bundesministers: Kulturminister Alain Berset kommt am 1. September anlässlich des 20. Geburtstags zur Eröffnung nach Baden. Auch das verdeutlicht den Aufstieg des Animationsfilms zum weithin akzeptieren Kulturgut.

Insgesamt zeigt Fantoche 260 Filme aus 34 Ländern; 84 davon sind im Rennen in den drei Wettbewerbssparten. Noch nie zeigte das Festival übrigens so viele Langfilme wie dieses Jahr: Zum 20-jährigen Bestehen sind insgesamt 20 lange Filme zu sehen, 17 davon aktuelle internationale Produktionen. Auch das Themenspektrum sei so breit wie kaum je zuvor, sagte Festivalleiterin Annette Schindler dieser Tage bei der Programmpräsentation in Zürich. Zu sehen seien kühne und witzige Autorenwerke wie auch große Studioproduktionen, verspielte und fantastische Filme für die Familie ebenso wie tiefschürfende Werke für Erwachsene. 35 Werke mit Längen zwischen zwei und 18 Minuten sind aus den insgesamt 1377 Einsendungen für den Internationalen Wettbewerb ausgewählt worden; zur Wahl für den besten Schweizer Film stehen 21 Filme. Dazu kommt noch ein Kinderfilmpreis.

Eröffnet wird das Festival mit der neuen Pixar-Produktion "Alles steht Kopf" (Inside Out) aus den USA, die ihre Deutschschweizer Premiere in Baden feiert. Der Schweizer Computergrafiker Martin Senn, der seit 2011 bei Pixar arbeitet, zeigt an einer "Making of"-Präsentation zudem, wie der Film entstanden ist; der gebürtige Schaffhausener ist auch Ehrengast der Eröffnung. "Alles steht Kopf", diese am Umzug der elfjährigen Riley vom ländlichen Minnesota in die Großstadt San Francisco festgemachte Auseinandersetzung mit den Wirrnissen der Pubertät, ist aber nicht die einzige Langfilm-Premiere; insgesamt werden heuer 17 gezeigt – so viele wie nie zuvor.

Darunter sind Autorenfilme, technische Innovationen, Fantastisches und Sozialkritisches, Leichtfüßiges und Unterhaltsames – zum Beispiel Tomm Mores "Song of Sea", eine fantastische Reise durch die irische Sagenwelt; gezeigt wird auch Rémi Chayés "Tout en haut du monde", eine dänisch-französische Koproduktion, in der eine junge russische Adlige ihren auf einer Entdeckungsreise verschollenen Großvater sucht und beim Festival in Annecey bereits mit dem Publikumspreis ausgezeichnet; auch die belgisch-französische Koproduktion "Phantom Boy" von Jean-Loup Felicioli und Alain Gagnol genießt Vorschusslorbeere,zumindest aber überzeugt eschon deren letzter Film "Un vie de chat". Weiter im Programm sind eine Reihe japanischer Produktionen wie Keiichi Haras "Sarusuberi: Miss Hokusai" oder auch ein animierter Dokumentarfilm wie "Truth has Fallen" von Sheila Sofian, der sich auf Basis einer unschuldig verurteilten mit dem fehleranfälligen US-amerikanischen Justizsystem auseinandersetzt.

Nachdem Polen in den vergangenen Jahren in Fantoche-Wettbewerben immer wieder hervorragend vertreten gewesen sei, habe sich ein vertiefter Blick auf die polnische Animationsfilmszene geradezu aufgedrängt, begründet Schindler den Schwerpunkt "Fokus Polen". Dessen Programm umfasst historische wie auch zeitgenössische Produktionen, darunter einer Retrospektive des seit den 80er-Jahren in der Schweiz lebenden und arbeitenden Jan January Janczak, eine Serie von Kurzfilmen, die an Beziehungen zwischen gegensätzlichen Charakteren und deren Konfliktlösungsstrategien ansetzen oder neuere Langfilme wie "George the Hedgehog", die Geschichte um einen Stadtigel, der auf Skateboarden und Sex mit Verheirateten steht und sich plötzlich in einem Beziehungsgeflecht mit einem irren Wissenschaftler und Neonazis wiederfindet.

Einem zweiten Schwerpunktprogramm gaben die Festivalorganisatoren den Titel "Family Sweet & Sour". In den Familiengeschichten würden "die süßen und sauren Seiten des Familienlebens" beleuchtet. Neben neuen Filmen umfasst das Programm auch Animationsfilm-Klassiker. Mit dem Angebot fürs Fachpublikum öffne sich das Festival zudem erstmals für den kommerziellen Animationsfilm, sagte Schindler. #

Zusammengestellt wurde ein Programm mit Auftragsproduktionen, gefördert werde aber auch die Vernetzung im Werbefilm. Die Eintrittszahlen pendelten zuletzt um die 22000 Besuche, das Budget bei etwa 1,6 Millionen Franken. Finanziert wird das Fantoche zur Hälfte von der öffentlichen Hand, zu 30 Prozent mit Geldern von Sponsoren und Stiftungen sowie zu 20 Prozent mit den Festivalerträgen.

Fantoche, Animationsfilmfestival Baden im Aargau, 1. bis 6. September, diverse Schauplätze.

Weitere Informationen zu Filmen und Anfangszeiten unter: http://www.fantoche.ch
von sda/alb
am Mi, 26. August 2015

Badens beste Erlebnisse